Das Wagnis mit der Rückkehr in die USA hat sich gelohnt. Lewis Hamilton weiß das, womöglich sogar besser als alle anderen.
«Die sind verrückt nach Sport hier und es kann nie genug Sport geben – sie wollen immer mehr und mehr Action», erzählte der Superstar aus Großbritannien. Das bemerkenswerte daran: Neun Jahre nach dem Comeback lieben die Amerikaner nicht mehr nur die NFL, die NBA oder die heimische Nascar-Serie sondern auch: die Action in der Formel 1.
Dritter US-Stopp vorstellbar
Dass ab der kommenden Saison neben Austin mit Miami eine zweite Station in den Staaten im Rennkalender steht, findet Rekordweltmeister Hamilton wie viele andere Fahrer und Teamchefs gut. Selbst einen dritten Termin – im Gespräch ist Las Vegas – in den USA können sich immer mehr Menschen im Fahrerlager der Königsklasse gut vorstellen, obwohl es das noch in keinem Land gab.
«Ich denke wir brauchen mindestens zwei», sagte Hamilton. «Der Fortschritt, den ich in den vergangenen Jahren gesehen habe, ist riesig», erzählte er am Rande des Grand Prix auf dem Circuit of the Americas. «Mehr und mehr Leute reden darüber und wollen Teil davon sein.» Oder, wie es Haas-Teamchef Günther Steiner formulierte: «Ich denke das Interesse ist groß genug für ein drittes Rennen.»
Noch vor neun Jahren, als Hamilton für den ersten Sieg auf der neu gebauten Strecke in Texas den großen schwarzen Cowboyhut mit dem Logo des Reifenausrüsters aufgesetzt bekam, haben wenn dann nur Optimisten eine solche Entwicklung für möglich gehalten. Formel 1 und die USA? Das war lange ein Trauerspiel mit dem 2005er-Rennen in Indianapolis als Tiefpunkt. Weil die Reifen von einem der beiden damaligen Ausrüster den Kräften in der Steilkurve der für US-Motorsportfans legendären Strecke nicht gewachsen waren, gingen nur sechs Fahrzeuge an den Start. Zwei Jahre später war Schluss.
Wettkampf und Show
Mittlerweile aber erlebt die Formel 1 in dem Land einen Boom. Befeuert von der Netflix-Serie «Drive to survive» ist das Interesse an der lange ignorierten Rennserie massiv gestiegen, Formel 1 ist im Alltag inzwischen ebenso Gesprächsthema wie das letzte Baseball-Spiel oder die NBA-Partie vom Abend zuvor – und das sieht man in Austin. Offiziell gibt der Veranstalter keine Zahlen bekannt, aber kolportiert wurden 360.000 Zuschauer über das ganze Wochenende. Schon beim dritten freien Training am Samstag waren die Freiflächen bei bestem Wetter übersäht mit Schirmen, Decken und Menschenmassen. Coronaauflagen gibt es in Texas so gut wie keine mehr, auch an der Rennstrecke gibt es nur für geschlossene Räume noch ein paar Regeln.
Die Veranstalter machen zudem einen guten Job wenn es darum geht, die Zuschauer bestmöglich zu unterhalten. Große Konzerte gehören seit der Premiere 2012 zum Rahmenprogramm. Am Freitag spielten Twenty One Pilots («Stressed Out»), am Samstag war Billy Joel («Piano Man») das im Eintrittspreis enthaltene Zuckerl nach der Qualifikation für die Fans, die neben den bekannten Team-Shirts eben auch mal ein Basketball-Trikot mit «Hamilton» und dessen Nummer 44 tragen.
Der Ansatz von Wettkampf und Show ist so erfolgreich, dass sich inzwischen sogar Fahrer aus der im Land tief verwurzelten Nascar-Rennserie die Formel 1 zum Vorbild nehmen. Denny Hamlin etwa war nicht glücklich mit dem Zuschaueraufkommen in Fort Worth am vergangenen Wochenende und sagte: «Es muss einfach mehr geben als dass wir auftauchen und Rennen fahren, wie es jetzt der Fall ist.“
Im Grunde fehlt nur noch ein sogenannter «local hero» – ein Amerikaner im Fahrerfeld. Mick Schumachers Arbeitger Haas ist zwar ein US-Rennstall, McLaren-Teamchef Zak Brown ist Amerikaner, aber einem Fahrer mit amerikanischem Pass zujubeln zu können fehlt. Dass Michael Andretti, der im US-Motorsport eine große Nummer ist, unmittelbar vor einem Einstieg bei Sauber steht, passt deswegen gut. Neben Valtteri Bottas, der Mercedes nach der Saison verlässt, könnte dann in Zukunft für das Team, das derzeit noch unter Alfa Romeo Racing geführt wird, auch ein von Andretti geförderter Fahrer den Spruing in die Formel 1 schaffen. Heißester Kandiat: Colton Herta. 2019 wurde er für Andrettis Team mit nur 19 Jahren jüngster IndyCar-Champion.