Der Hinterzimmer-Krimi um den mutmaßlichen Finanzbetrug von Max Verstappens Red-Bull-Team bringt die Regelhüter der Formel 1 schwer in Bedrängnis.
Die Frage nach Sanktionen für den Verstoß des Weltmeister-Rennstalls gegen die Budgetgrenze spaltet die Rennserie und wird zum Härtetest für die Sportbehörden. «Wenn es einen Bruch der Regeln gegeben hat, muss es eine beträchtliche Strafe geben», hatte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto gerade erst am Rande des WM-Laufs in Japan gesagt. Doch viele Beobachter bezweifeln, dass sich der Weltverband Fia dazu durchringen wird.
«Geringfügige» Summe mit entscheidenen Vorteil?
Nach monatelanger Buchprüfung hatte die Fia verkündet, dass Red Bull als einziges der zehn Teams im Vorjahr das Limit für die Ausgaben überschritten habe. Die Kostengrenze soll für mehr Chancengleichheit sorgen. Es handle sich beim Verstoß um eine «geringfügige» Summe, hieß es vom Dachverband. Genau darum aber streitet sich die Szene. Geringfügig, das heißt weniger als fünf Prozent der erlaubten 145 Millionen Dollar (rund 150 Millionen Euro). Das wären immerhin noch bis zu 7,25 Millionen.
Ferrari-Teamchef Binotto rechnete vor, dass schon zusätzliche Investitionen von ein bis zwei Millionen Dollar ein Auto um bis zu 0,2 Sekunden pro Runde schneller machen können. Das sei ein entscheidender Vorteil zum Beispiel im Kampf um die Pole Position. Experten wiesen darauf hin, dass kleinere Teams wie Alfa Romeo insgesamt kaum mehr als 2,5 Millionen Dollar pro Saison für die Weiterentwicklung ihrer Rennwagen zur Verfügung haben.
Dass die Fia noch kein Strafmaß verkündete und in ihrer Mitteilung offen ließ, um welche Summe es konkret beim Vergehen von Red Bull geht, beschleunigte die Spekulationen nur. Schnell tauchten drei Jahre alte Aussagen von Formel-1-Sportchef Ross Brawn wieder auf, der damals beteuerte: «Dieses Regelwerk hat Biss. Wenn du betrügerisch die Finanzregeln brichst, wirst du deinen WM-Titel verlieren.»
Weitreichender Strafenkatalog
Der Katalog der möglichen Strafen ist weitreichend. Von einer bloßen Verwarnung über den Abzug von WM-Punkten in der Fahrer- oder Teamwertung, einer Sperre oder einer Beschränkung von Entwicklungstests bis hin zu einer Absenkung der Ausgabengrenze für das Team ist alles drin. Die Fia verwies indes in ihrer Mitteilung schon darauf, dass nur ein schwerwiegender Verstoß automatisch zum Abzug von WM-Punkten führe.
Das darf als Hinweis gewertet werden, dass Verstappen nicht zu sehr um seinen ersten Titel aus dem Vorjahr bangen muss. Der war ohnehin schon höchst kontrovers zustande gekommen. Rennleiter Michael Masi hatte beim Finale in Abu Dhabi die Regeln gebogen und so Verstappen ermöglicht, in der letzten Runde noch Lewis Hamilton zu überholen.
Die Ergebnisse der Fia-Finanzprüfung rissen nun die Wunden der zahlreichen Hamilton-Fans wieder auf. Verstappen habe nicht nur vom Fehler des später deswegen entlassenen Masi profitiert, sondern auch von einem illegal entwickelten Auto – so schrieben es viele in vor Wut triefenden Tweets ins Internet. Die Rede ist von Finanzdoping, das genauso hart bestraft werden müsste wie Doping in anderen Sportarten.
Red Bull überrascht und enttäuscht
Red Bull indes zeigte sich «überrascht» und «enttäuscht» über die Vorwürfe. Das Team sei weiter überzeugt, das Ausgabenlimit eingehalten zu haben und will juristische Mittel prüfen. Sollte Red Bull nicht doch noch einen Fehler einräumen, geht der Fall vor ein eigens dafür eingerichtetes Finanzgericht der Fia. Gegen ein Urteil kann dann noch Einspruch vor dem Internationalen Berufungsgericht der Fia eingelegt werden.
Der heikle Fall dürfte sich also noch länger hinziehen und die letzten Wochen der sportlich mit Verstappens zweitem Titel schon entschiedenen Saison belasten. Der Knackpunkt für die Regelhüter: Urteilen sie nicht hart genug, mindert das die abschreckende Wirkung der Budgetgrenze. Greifen sie drastisch durch, könnte es rund ein Jahr nach dem Eklat von Abu Dhabi plötzlich einen anderen Champion geben.