Charles Leclerc versucht es auf ein Neues. Was bleibt ihm auch anderes übrig. Mürbe machen lassen will sich der 25-Jährige nicht, schon gar nicht bei seinem Heimrennen. Er ist der echte Monegasse unter vielen Wahl-Monegassen in der Glamour-Welt der Formel 1.
Er kennt jedes Schlagloch, jeden Winkel, jede Tücke, die die nur 3,337 Kilometer kurze Strecke an der Côte d’Azur zu bieten hat. «Adrenalin: Das ist das, was der Kurs dir gibt. Es ist eng und uneben. Um schnell zu seinen, musst du deinem Gefühl vertrauen», sagt Leclerc. Er kennt es. Nur eines kennt er noch immer nicht: Das Sieg-Gefühl in Monaco.
Leclerc will Monaco-Fluch beenden
Zu Formel-2-Zeiten schied er an einem Rennwochenende gleich zweimal aus, danach setzte sich der Heimfluch für den Monegassen fort. 2021 war es besonders tragisch: Er hatte sich die Pole gesichert, bei einem Crash im Qualifying seinen Wagen aber so beschädigt, dass er im Rennen letztlich gar nicht starten konnte. Und im vergangenen Jahr, wieder von der Pole, musste er sich nach einer Boxenstopp-Posse seines Teams mit Rang vier begnügen.
Dass er in der bisherigen Saison eher durch Unfälle denn Punkte und Top-Platzierungen auffiel, macht es für Leclerc derzeit nicht einfacher. Der Druck wächst, die Kritik erst recht. «Leclerc muss damit aufhören, sein Auto zu crashen, es hält ihn und das Team auf», betonte der britische Ex-Pilot und TV-Experte Martin Brundle in seiner Kolumne bei Sky Sports. «Er sollte das Team zu Höherem führen und nicht die Werkstatt so beschäftigen.» Leclerc sei unheimlich schnell und hole viel aus dem Auto raus, «aber er macht zu viele Fehler und verursacht zu viel Schaden», urteilte der schottische Ex-Fahrer und Channel4-Experte David Coulthard.
Als Ferrari Leclerc einst zu sich holte und Sebastian Vettel an die Seite stellte, machte die Scuderia unmissverständlich klar, wem die Zukunft gehören würde – und wem nicht. Zwei Jahre fuhren beide zusammen für die Scuderia, ehe Vettel noch mal wechselte. Leclerc blieb, Leclerc war gesetzt. Ende 2019 war sein Vertrag um weitere zwei Jahre bis Ende 2024 verlängert worden. «Ich bin gespannt, was die Zukunft bereithält», sagte Leclerc damals.
Vor wenigen Wochen erschien ein Buch über ihn, Titel: Das Wunderkind. Schicksalsschläge haben ihn geprägt, 2017 starb sein Vater mit nur 54 Jahren. Zwei Jahre zuvor war sein Patenonkel Jules Bianchi an den Folgen eines schrecklichen Formel-1-Unfalls gestorben. Diese schweren Stunden hätten ihm geholfen, reifer zu werden, erklärte Leclerc in dem Buch.
Er lebt ein eher unauffälliges Leben im Fürstentum, ein Ferrari auf den Straßen Monacos ist halt auch keine Seltenheit. Als allerdings in diesem Jahr seine Adresse bekannt geworden war, bat er seine Fans darum, die Privatsphäre zu respektieren. «Eure Unterstützung bedeutet mir sehr viel, aber es gibt eine Grenze, die nicht überschritten werden sollte», schrieb er bei Instagram und erklärte, dass sich Menschen vor seinem Apartment versammelt, geklingelt und nach Fotos und Autogrammen gefragt hätten.
Nur Platz sieben in der WM-Wertung
Ruhe, Reife und mentale Stärke wird er jetzt auch sehr gut gebrauchen können. Es geht dabei nicht nur um den Sieg in Monaco. Es geht auch darum, zu zeigen, dass er die hohen Erwartungen letztlich erfüllen kann. Vor dem Großen Preis von Monaco am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) liegt Leclerc nur auf dem siebten Platz in der WM-Wertung. Gerade mal 34 Punkte holte er, nur einmal kam er als Dritter aufs Podest.
Und dann kamen jüngst auch noch wilde Spekulationen in britischen Medien auf. Im Mittelpunkt stand Lewis Hamilton, der siebenmalige Weltmeister von Mercedes. Involviert in die Theorien um die Zukunft des 38 Jahre alten Briten war aber auch Leclerc, ein Tausch mit dem Mercedes-Piloten nach dieser Saison als Variante. «Ich werde das nicht kommentieren. Aber es ist richtig, dass es etwas Neues in meiner Karriere ist. Bisher bin ich nicht Objekt von Gerüchten gewesen», sagte Leclerc der «Gazette de Monaco». Mit einem Sieg bei seinem Heimrennen würde er für andere Schlagzeilen sorgen.