Experte über Exzesse im Fall Schumacher: «Unappetitlich»
Thomas Horky ist Professor für Sport-Kommunikation an der Macromedia-Hochschule in Hamburg. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Witters GmbH/dpa)

Ein als Priester verkleideter Journalist, eine andere Person, die sich als Vater von Michael Schumacher ausgab: Sportwissenschaftler Thomas Horky blickt kritisch auf die auch medialen Exzesse kurz nach dem schweren Ski-Unfall von Michael Schumacher am 29. Dezember 2013 zurück.

«Einer der wichtigsten Nachrichtenfaktoren in Medien bei allen Themen ist die Personalisierung. Geschichten in Medien lassen sich am besten über Menschen erzählen. Und da ist das Unglück eines der damals sicherlich berühmtesten deutschen Menschen eine sehr große und sehr wichtige Geschichte gewesen», sagte Horky, Professor für Journalismus und Sportkommunikation an der Macromedia Hochschule, der Deutschen Presse-Agentur.

Kampf um Aufmerksamkeit und Reichweite

Dass auch Medien dann «teils so überdreht haben, und zwar wirklich auch unappetitlich überdreht haben, das ist eine andere Geschichte. Die Mediensituation ist damals noch eine etwas andere gewesen. Der Kampf um Reichweite durch die erst beginnende Aufmerksamkeitssteigerung des Internets und der sozialen Netzwerke ist sicherlich ein Faktor, der damals zu solchen Exzessen geführt hat», erläuterte er.

Schumacher ist Formel-1-Rekordweltmeister. Ende 2013 zog er sich bei seinem Unfall in Frankreich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zu. Das Universitätskrankenhaus von Grenoble, in dem Schumacher zunächst betreut wurde, wurde damals regelrecht belagert. Der heute 54-Jährige lebt von der Öffentlichkeit abgeschirmt.

Schumacher hat ein «Recht auf Privatheit»

«Ich kann nur hoffen, dass die Medien aus dem Fall Michael Schumacher und aus der Berichterstattung gelernt haben. Michael Schumacher war und ist eine Person der Zeitgeschichte, und auch eine Person der Zeitgeschichte hat ein Recht auf Persönlichkeit, auf Privatheit. Die Kritik an den Auswüchsen der Berichterstattung damals hat hoffentlich Wirkung gezeigt hat, so dass es zu einem ähnlichen Fall nicht mehr kommen sollte», befand Horky.

Schumacher und sein Schicksal rufen ungebrochene Anteilnahme hervor. «Wir kennen keine Bilder, wie es ihm heute geht oder wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen ist und wie er jetzt aussieht. Deswegen bleibt das Bild von früher, das wir von Michael Schumacher haben, sehr stark in der Öffentlichkeit verhaftet», erklärte Horky.

«Etwas Geheimnisvolles» umgibt Schumachers Unfall

Es habe aber «auch fast etwas Mystisches. Niemand weiß eigentlich ganz genau, was passiert ist. Es gibt eben keine Bilder und keinen ganz konkreten Ablauf des Unfalls, der sich auf einer Skipiste und nicht einer Formel-1-Strecke abgespielt hat», sagte Horky. «Daher umgibt weiter etwas Geheimnisvolles diesen Unfall, was für Medien damals schon eine Art Reiz ausgemacht hat.»