Will seinen achten WM-Titel einfahren: Mercedes-Pilot Lewis Hamilton. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Dan Istitene/Pool Getty Images/AP/dpa)

In der Saison der Superlative vor der nächsten großen Formel-1-Reform fahren die Fragezeichen mit.

Auch wenn das Hygienekonzept der Motorsport-Königsklasse sich beim Auftakt in Bahrain als wirkungsvoll erwies und nach zwei positiven Tests im Aston-Martin-Team von Sebastian Vettel nicht gleich die Absage zur Disposition stand, könnte die weiterhin grassierende Corona-Pandemie den Plan von noch 22 Rennen bis Mitte Dezember deutlich erschweren. Doch nicht nur das bleibt heißes Dauerthema.

DIE FRAGE DER FRAGEN: WAS MACHT HAMILTON?

Wie schwer oder womöglich am Ende auch wieder eher nicht es für den auch schon 36 Jahre alten Lewis Hamilton auch wird, mit dem erneuten WM-Triumph würde der Brite alles bisher da gewesene in dem Sport endgültig in den Schatten stellen. Michael Schumachers sieben WM-Triumphe würden ihren Wunderstatus verlieren. Auch die sagenhaften fünf WM-Titel nacheinander des mittlerweile 52-Jährigen zu dessen Ferrari-Zeiten würde Hamilton einstellen. Und dann?

Nach der Nichteinigung über diese Saison hinaus wird Rennwochenende für Rennwochenende das Thema wieder hochkochen. «Es fühlt sich bei mir nicht so an, als sei das das Ende», sagte Hamilton in Bahrain und prophezeite die «aufregendste» Saison überhaupt. Hamilton, der nach wie vor keinerlei Motivations-Ermüdungserscheinungen zeigt, sagte auch: «In den kommenden acht Monaten oder so werde ich herausfinden, ob ich bereit bin aufzuhören. Aber ich denke nicht, dass ich das werde.» Gewissheit herrscht aber erst, wenn er einen neuen Vertrag unterschrieben hat. Von Mercedes wird der Sommer als Phase der Entscheidung bevorzugt.

DIE FRAGE NACH DEN UNWÄGBARKEITEN

Eigentlich hätte die Saison schon vor zwei Wochen begonnen, eigentlich war im April auch ein Trip nach China vorgesehen. Die Corona-Pandemie zwingt aber auch die Formel 1 zu Umwegen. Nur ein Rennen im kommenden Monat mit dem Großen Preis der Emilia Romagna (18. April). Ungewöhnlich, erst recht bei einem Rekordkalender mit 23 Grand Prix. Es ging aber nicht anders. Und ob der jetzige Plan funktioniert – sicher kann sich niemand sein, wenn in Europa und weltweit das Virus mit seinen Mutationen die Zahlen womöglich wieder noch weiter nach oben treibt. Auch Testfahrt- und Auftaktgastgeber Bahrain ist vom Robert Koch-Institut als Hochinzidenzgebiet eingestuft.

Aus dem aktuellen Kalender trifft das momentan auch noch auf Frankreich, Ungarn, Mexiko und die Vereinigten Arabischen Emirate zu. Zu Risikogebieten zählen unter anderem das nächste Renngastgeberland Italien, aber auch zehn weitere Länder. Großbritannien, wo außer Ferrari (Maranello/Italien) und Alpha Tauri (Faenza/Italien), alle Teams ihren Sitz haben, wurde zuletzt vom RKI vom Virusvariantegebiet auf Risikogebiet zurückgestuft.

Im wohl reiseintensivsten Sportmetier nahmen daher auch einige die Offerte in Bahrain an, sich impfen zu lassen. «In Europa weiß ich nicht, wie lange man warten muss, bis man geimpft wird», sagte Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost: «Die Gesundheit ist das Wichtigste.» Das gesamte Team ließ sich versorgen. Auch nahezu die gesamte Belegschaft vor Ort von Ferrari, darunter Fahrer-Neuzugang Carlos Sainz. Sergio Perez von Red Bull ließ sich ebenfalls impfen. Britische Teams wie etwa McLaren stellten es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch frei.

DIE FRAGE NACH DEN MENSCHENRECHTEN

Bernie Ecclestone machte die Formel 1 zum weltweit operierenden Unternehmen mit Milliardenumsatz – und vor Ländern, denen mitunter auch schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden, auch keinen Halt. Aber auch seine Nachfolger fahren in dem hochkommerzialisierten Rennsport auf dem schmalen Grat zwischen Gewinnmaximierung und Moral entlang, Anfang Dezember findet erstmals ein Rennen in Saudi-Arabien statt.

Bahrain ist seit 2004 im Rennkalender. Vor zehn Jahren war das Rennen wegen heftiger Unruhen, bei denen auch Menschen ums Leben gekommen waren in dem kleinen Königreich im Nahen Osten, abgesagt worden. Zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1, die es so seit 1950 gibt, fand ein Rennen aus politischen Gründen nicht statt.

Vergangenes Jahr hatte Superstar Hamilton Briefe von Folteropfern erhalten. Darauf angesprochen gegen Ende der vergangenen Saison in Bahrain, sagte er, er wolle sich informieren. Bei der Rückkehr zum Saisonauftakt kam wieder die Rede darauf. Hamilton: «Ich habe in den vergangenen Monaten versucht, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. In all den Jahren, in denen wir hierhergekommen sind, waren mir nicht alle Details in Bezug auf etwaige Menschenrechtsverletzungen bewusst.»

Er habe mit Menschenrechtsanwälten und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International gesprochen, er habe sich mit dem britischen Botschafter in Bahrain getroffen und auch mit Vertretern aus Bahrain. Gesprächsinhalte verriet er nicht. Hamilton sagte aber: «Ich denke nicht, dass wir in Länder gehen und ignorieren sollten, was dort passiert, uns eine schöne Zeit machen und wieder abzuhauen.»

Von Jens Marx, dpa