Nach der nächsten Spritztour von Max Verstappen durch den Königlichen Park von Monza scheint in der Formel 1 sogar Einmaliges möglich.
Erstmals in der Geschichte der seit 1950 ausgetragenen Weltmeisterschaft könnte ein Rennstall alle Grand Prix in einer Saison gewinnen. Verstappens Red Bull mit der schier erdrückenden Übermacht hat sogar das heikle Pflaster Autodromo Nazionale Monza makellos überstanden, das einst Ayrton Senna und Alain Prost bei McLaren 1988 eine perfekte Bilanz kostete.
«Ich hätte zu Beginn der Saison nicht gedacht, dass so etwas möglich ist», meinte Verstappen nach seinem zehnten Grand-Prix-Erfolg nacheinander, wodurch er Sebastian Vettel überholte. «Was wir im Moment tun, nämlich jedes Rennen in diesem Jahr zu gewinnen, ist etwas, das wir auf jeden Fall genießen, denn ich glaube nicht, dass es solche Saisons sehr oft gibt.»
Nach Etappe 14 gab es keinen anderen Sieger als Verstappen, der zwölfmal auf Platz eins raste, und seinen Teamkollegen Sergio Perez, der die anderen beiden Male ganz oben auf das Podium kletterte. Saisonübergreifend hat Red Bull 24 der vergangenen 25 Rennen gewonnen. George Russell besaß im November vergangenen Jahres in São Paulo die Kühnheit, für Mercedes einfach mal einen Grand Prix zu entscheiden.
Glock: «Unglaublich, was man abliefert»
«Das ist schon beängstigend, diese Perfektion zu sehen. Ich habe selten so eine Saison von einem Team erlebt, das momentan alles abräumt und unter Kontrolle hat», meinte Sky-Experte Timo Glock, früher selber Formel-1-Pilot, fast schon ehrfürchtig. Der Red Bull funktioniere «auf jeder Art von Rennstrecke. Das ist unglaublich, was man abliefert, wie man es umsetzt, auch was die Strategie angeht, die ist fehlerfrei.»
Dominante Formel-1-Teams gab es immer. Mercedes besaß im vergangenen Jahrzehnt selbst ein Auto, das in der Branche das Nonplusultra war. In der Rückschau hätten die Silberpfeile 2016 sogar alle 21 Rennen gewinnen können. Ein Crash zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton in Spanien sowie ein Motorschaden Hamiltons in Malaysia zerstörten aber eine makellose Bilanz.
«Unsere Situation war ein bisschen anders, weil wir zwei Jungs hatten, die innerhalb der Mannschaft gegeneinander kämpften», erinnerte Mercedes-Teamchef Toto Wolff im englischen TV-Sender Sky Sports F1 an die damalige Saison, die Rosberg schließlich vor Hamilton für sich entschied. Ob sich Verstappen überhaupt für Rekorde interessiere, wisse er gar nicht, meinte Wolff süffisant weiter. «Das ist nicht etwas, was für mich wichtig wäre. Diese Zahlen sind für Wikipedia und das liest sowieso niemand.»
1988, als in Deutschland der Bundeskanzler noch Helmut Kohl hieß, war McLaren ganz nah dran an der perfekten Saison und 16 Grand-Prix-Erfolgen – bis Monza auf dem Kalender stand. Prost schied dort mit einem Motorschaden aus, Teamkollege Senna kollidierte in Führung liegend kurz vor Schluss bei einem Überholversuch gegen den Williams eines gewissen Jean-Louis Schlesser. Gerhard Berger im Ferrari war der Nutznießer.
Bester Fahrer sitzt im besten Auto
Red Bull mit seinem auf das Kürzel RB19 getauften Rennwagen hat nun sogar Monza überstanden. Acht Grand Prix folgen noch. «Die Saison 2023 läuft auf eine unangefochtene Dominanz von Max Verstappen und seines Red-Bull-Rennstalls hinaus», stellte «L’Équipe» in Frankreich fest. Läuft alles perfekt, kann Verstappen bereits im übernächsten Rennen in Japan Weltmeister werden. «Die Debatte darüber, wer der größte Rennfahrer seiner Zeit ist, muss noch entschieden werden, aber im Moment ist Verstappen der Beste auf dem Planeten», befand die englische «Daily Mail».
Der derzeit vermutlich beste Fahrer im derzeit unbestritten besten Auto – eine Kombination, die nur durch Unfälle oder Defekte gestoppt werden kann. Oder gibt es da vielleicht noch etwas anderes? «Max war vor diesem zehnten Sieg relativ nervös, was er sonst eigentlich nicht ist, schon am Freitag in der Abstimmung. Ich kenne ihn gut genug, ich weiß, wie er tickt», berichtete Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko, der Verstappens Weg in die Formel 1 eng begleitet hat. «Ich hoffe, das hat sich jetzt gelöst.»
Wenn ja, dann geht diese «unglaubliche Erfolgsgeschichte», wie sie Marko nannte, einfach weiter. Vielleicht sogar bis zum Finale Ende November in Abu Dhabi.