Die Gitarre von David Bowie gehorchte Lewis Hamilton dann doch nicht so wie sein Rennwagen.
«Verzeiht all die Fehler, ich bin wirklich nicht gut», schrieb der Formel-1-Weltmeister zum Video von seinem Solo auf dem schwarzen Instrument, das ihm die britische Pop-Legende einst geschenkt hatte.
In den Tagen vor dem dritten Saisonrennen in Portugal suchte der WM-Spitzenreiter etwas Ablenkung vom engen Titelduell mit Herausforderer Max Verstappen. Wahre Perfektion aber gelingt Hamilton meist doch nur in seinem Mercedes. Am Sonntag könnte er seinen Dienstwagen zum 100. Mal auf die Pole Position bei einem Grand Prix steuern.
Diese Marke wäre ein weiterer Meilenstein für Rekordsammler Hamilton. Die Ikonen Michael Schumacher, der 68 Mal Startplatz eins belegte, und Ayrton Senna (65) hat der Brite schon länger weit hinter sich gelassen. Diese Jagd am absoluten Limit nach der perfekten Runde, der Kampf von Mensch und Maschine gegen die Uhr in einem kurzen Zeitfenster – das ist Hamiltons Reich. «Hammertime» heißt das dann, es ist fast so etwas wie eine eigene Kunstform des Champions.
Sir Lewis, dem große Worte und der Glaube an Gott nicht fern sind, beschreibt diese Momente nicht selten als außerirdische Erfahrung, als Schritt über die Grenze des vermeintlich Möglichen. «Unter dem Helm liegt das komplexe Schlachtfeld des Geistes. Zerbrechlich, feindlich, friedvoll, liebevoll und leidenschaftlich», dichtete der 36-Jährige neulich, als er in Imola zum 99. Mal der Schnellste in der Qualifikation war.
«Ich sage mir selbst: Ich bin nur ein Gefäß für Licht und Liebe, ich kann alles sein, ich bin mutig, ich bin stark, ich habe unermessliche Kraft», ließ Hamilton seine Millionen Fans in den sozialen Netzwerken wissen und rief ihnen zu: «Du kannst alles mit Deinem Geist überwinden.» Geholfen hat natürlich auch, dass der siebenmalige Weltmeister in den vergangenen Jahren zumeist in einem überlegenen Auto saß.
Das ist anscheinend in dieser Saison anders. Red Bull und Verstappen waren in Bahrain und Imola auf Augenhöhe, der Weg zum achten WM-Titel könnte für Hamilton ziemlich beschwerlich werden. Beim Auftakt quetschte sich der Weltmeister noch zum Sieg, in Italien rettete er trotz eines seltenen Patzers mit viel Glück Platz zwei. «Nach diesem Rennen weiterhin beide WM-Wertungen anzuführen, fühlt sich fast wie ein Freifahrtschein an, weil unsere Gegner nicht das Maximum aus der Chance herausgeholt haben, die wir ihnen geboten haben», sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Verstappen, der in der Gesamtwertung nur einen Punkt hinter Hamilton liegt, hat bei seinem erstarkten Team schon eine «andere Denkweise» erkannt. «Wir haben wirklich viel über die Jahre gelernt. Ich freue mich sehr auf das, was vor uns liegt», sagte der 23 Jahre alte Niederländer vor dem Rennen am Sonntag (16.00 Uhr/Sky).
Will Verstappen im Generationen-Duell auf Dauer den Superstar Hamilton hinter sich lassen, sollte er damit am besten schon samstags bei der Startplatz-Hatz anfangen. «Imola war noch nicht perfekt, wir müssen uns weiter steigern», mahnte er. Erst viermal durfte der Red-Bull-Pilot vor einem Grand Prix ganz vorn parken. Für einen WM-Triumph über den Quali-Meister Hamilton muss Verstappen ihn auch da bezwingen, wo er am stärksten ist.