Die schlimmen Bilder der Überschwemmungen in seiner Heimatregion zerrissen Formel-1-Chef Stefano Domenicali das Herz. Die kurzfristige Absage des Grand Prix in seiner Geburtsstadt Imola und der Verzicht auf Millionen-Einnahmen für die Rennserie waren für den Geschäftsführer alternativlos.
«Sich vorzustellen, die vielen Fans in einem verwüsteten Umfeld willkommen zu heißen, war eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes», sagte Domenicali, nachdem er den für Sonntag geplanten Europa-Auftakt der Formel 1 gestrichen hatte.
Die Region an der italienischen Adriaküste wird seit Dienstag von schweren Unwettern heimgesucht. Mindestens neun Menschen kamen dabei ums Leben. «Die Emilia-Romagna ist unsere Heimat. Es ist herzzerreißend, was die Menschen derzeit durchstehen müssen», sagte der neue Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur. Die Scuderia stellte sich wie alle anderen Teams hinter die Entscheidung der Organisatoren, auch wenn sie damit auf eines ihrer beiden Heimrennen in diesem Jahr verzichten muss.
Terminplan ist voll
Dass der Grand Prix in Imola noch in diesem Jahr nachgeholt wird, ist sehr unwahrscheinlich. Der Terminplan ist mit 17 weiteren Rennen dicht gefüllt, schon in der kommenden Woche geht es in Monaco weiter. Einer verkürzten Sommerpause dürften die Teams kaum zustimmen.
Die Macher von Imola hoffen daher auf eine Verlängerung ihres Formel-1-Vertrags um ein Jahr. «Angesichts der Komplexität des Kalenders kann man durchaus davon ausgehen, dass die Ausgabe 2023 im Jahr 2026 stattfinden wird», sagte der Präsident des italienischen Automobilverbands, Angelo Sticchi Damiani.
Der aktuelle Vertrag für Rennen in Imola läuft bis einschließlich 2025. Eine Verlängerung des Kontrakts wegen der Absage sei «eine Option, die auf dem Tisch liegt», sagte Formel-1-Boss Domenicali.
Entschädigung für Ticket-Inhaber
Zum Rennwochenende wurden in diesem Jahr mehr als 160.000 Zuschauer erwartet. Die Absage sei angesichts der dramatischen Situation in der Region aber unvermeidlich gewesen, sagte Verbandschef Sticchi Damiani. Weil die Absage wegen höherer Gewalt erfolgte, muss der Streckenbetreiber in Imola zumindest nicht die Millionen-Gebühren für das Rennen an die Formel 1 zahlen. Allerdings müssen voraussichtlich zehntausende Ticket-Inhaber entschädigt werden.
Eine Renn-Absage wegen einer Naturkatastrophe hatte die Formel 1 auch 1995 erlebt, als der Grand Prix im japanischen Aida wegen eines Erdbebens von März auf Oktober verschoben wurde. Im Vorjahr war das Gastspiel in Sotschi aus dem Kalender gestrichen worden, nachdem Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte. Während der Corona-Pandemie waren zahlreiche Rennen abgesagt worden. Auch die Station in China fiel wegen der lange sehr restriktiven Coronapolitik des Landes für diese Saison erneut aus.
In Imola war das Fahrerlager bereits am Dienstagnachmittag aus Sicherheitsgründen auf Anweisung des Katastrophenschutzes geräumt worden. Der nahe gelegene Fluss Santerno trat über die Ufer, Teile des Streckengeländes wurden überschwemmt. Zudem gab es erhebliche Bedenken, dass eine sichere Anreise der zehntausenden Fans angesichts der Überflutungen, Evakuierungen und gesperrten Straßen gewährleistet werden könne.
«Ich weiß, dass wir alle verstehen, dass Sicherheit an erster Stelle steht», schrieb Rekordweltmeister Lewis Hamilton bei Instagram. «Viel wichtiger jetzt: Ich hoffe, dass alle Menschen in der Region Emilia-Romagna in den nächsten Tagen sicher sind», twitterte auch der deutsche Haas-Pilot Nico Hülkenberg. Weltmeister Max Verstappen schrieb an die Betroffenen: «Wir wünschen Euch allen Stärke, damit ihr diese Zeit sicher übersteht.»