Die riesige Rauchwolke des Raketen-Angriffs hing auch am Tag danach noch am Himmel nahe der Formel-1-Strecke von Dschidda.
Doch nach heftigen Diskussionen wohl auch über einen Boykott der Fahrer hatten die Grand-Prix-Macher von Saudi-Arabien am frühen Samstagmorgen ihr Rennen gerettet. Die besorgten Piloten ließen sich überzeugen, der Weltverband Fia und die Formel-1-Bosse verkündeten: Alles läuft weiter wie geplant.
Umfassende Sicherheitsgarantien der saudischen Regierung seien der Grund für die Entscheidung, teilten die Fia und die Rennserie am Samstag gemeinsam mit. Kurz darauf übermittelte auch die Gewerkschaft der Piloten ihren Willen zur Teilnahme am zweiten Saisonlauf am Sonntag (19.00 Uhr/Sky). Erst um 2.30 Uhr Ortszeit hatten alle Parteien am Samstagmorgen eine Übereinkunft erzielt.
Eine «große Breite von Meinungen» wurde diskutiert
Der Schock über den Einschlag einer Rakete in eine nur wenige Kilometer entfernte Ölanlage des Formel-1-Hauptsponsors Aramco sitzt tief im Fahrerlager. Huthi-Rebellen hatten am Freitag mehrere Ziele in Saudi-Arabien angegriffen. Hintergrund ist der Krieg im Jemen, den das Königreich gegen die Huthis führt und der eine der schlimmsten aktuellen humanitären Katastrophen ausgelöst hat.
«Gestern war ein schwieriger Tag für die Formel 1 und ein aufreibender Tag für uns Formel-1-Fahrer», teilte die Fahrervertretung GPDA mit. «Es war schwierig, ein voll konzentrierter Rennfahrer zu bleiben und alle natürlichen menschlichen Bedenken auszuschalten, wenn man den Rauch von dem Vorfall gesehen hat», hieß es weiter.
Nach den beiden Freitagstrainings berieten die Fahrer mehr als vier Stunden, wie es weitergehen soll. Teilweise waren auch Formel-1-Chef Stefano Domenicali, Sportchef Ross Brawn und einige Teambosse dabei. Eine «große Breite von Meinungen» sei diskutiert worden, hieß es.
Dem Vernehmen nach erklärten die Funktionäre den Piloten auch die möglichen Folgen einer vorzeitigen Abreise. Angeblich kassiert die Rennserie für den Zehnjahresvertrag mit Saudi-Arabien Antrittsgelder von insgesamt 900 Millionen Dollar. Das Versprechen für eine maximale Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen habe letztlich zu einer Lösung geführt, teilte die GPDA mit. Der Ton des Statements lässt offen, ob wirklich alle Fahrer voll hinter dem Beschluss stehen.
«Lasst uns ein Rennen fahren»
Ex-Rennfahrer Ralf Schumacher zumindest entschied sich anders und trat die Heimreise an. Der Sky-Experte und Kommentator Sascha Roos machten sich am Samstagmorgen auf den Weg zurück nach München. Der Sender hatte allen Mitarbeitern freigestellt, ob sie in Dschidda bleiben wollen.
Der neue Weltverbandschef Mohammed Ben Sulayem hatte zuvor beteuert, die Formel 1 sei nicht das Ziel der Attacken. «Sie zielen auf die Infrastruktur, nicht die Zivilisten und natürlich nicht auf die Strecke», sagte der 60-Jährige aus Dubai. Dies sei überprüft worden. «Lasst uns ein Rennen fahren», sagte Ben Sulayem.
Die US-Regierung und das Auswärtige Amt verurteilten die Angriffe der Huthi-Rebellen. «Diese erneuten Angriffe verletzen das humanitäre Völkerrecht und untergraben die regionale Stabilität, indem sie eine weitere Eskalation provozieren. Angriffe auf zivile Ziele sind durch nichts zu rechtfertigen», teilte das Auswärtige Amt mit.
Für die Formel 1 stellt sich durch die Geschehnisse indes einmal mehr die Frage nach der Auswahl ihrer Partner. Erst vor wenigen Wochen hatte die Rennserie ihre Verträge für Rennen in Russland wegen des Krieges in der Ukraine gekündigt. Andere Grand-Prix-Gastgeber wie Bahrain, Aserbaidschan, China oder Katar stehen wegen ihrer Verstöße gegen Menschenrechte ebenfalls seit Jahren in der Kritik.
Fia und Formel 1 ließen in ihrer Mitteilung erkennen, dass über die Ereignisse von Dschidda noch zu reden sein wird: «Mit allen Beteiligten ist vereinbart, einen klaren und offenen Dialog während des Events und in der Zukunft weiterzuführen.»