Das Fern-Urteil von Nico Rosberg hatte seinem glücklosen Formel-1-Nachfolger gerade noch gefehlt. Als hätte Valtteri Bottas im fünften Jahr bei Mercedes nicht schon genug Sorgen, empfahl der PS-Ruheständler Rosberg eine baldige Ausmusterung des Finnen bei den Silberpfeilen.
«Aus Sicht der Fans wäre ein Fahrerwechsel sehr interessant», befand der Weltmeister von 2016 vor dem Großen Preis von Frankreich inmitten der tosenden Spekulationen um den auslaufenden Vertrag von Bottas bei Mercedes. Der gerade etwas angeschlagene Branchenführer solle auf jemanden setzen, der Superstar Lewis Hamilton herausfordern könne, riet Rosberg, «ein junger Kerl, der Lewis in Zukunft auch als ersten Fahrer ersetzen kann». Gemeint war natürlich der Brite George Russell, der aus dem Mercedes-Nachwuchsprogramm kommt und seit 2019 bei Williams Formel-1-Erfahrung sammelt.
Der 23-Jährige sagte zwar vor den ersten Trainingsrunden in Le Castellet: «Nichts ist klar für nächstes Jahr. Ich habe noch keinen Vertrag unterschrieben.» Doch die Meldungen, dass eine Ablösung von Bottas spätestens zum Saisonende praktisch fix ist, kursieren in immer kürzerer Folge im Fahrerlager. «Niemand hat mir etwas davon gesagt, das stimmt nicht. Das basiert nicht auf Fakten», beteuerte Bottas kurz nach seiner Ankunft in Südfrankreich.
Nur knapp hinter Verstappen im Training
Eingestehen musste er, dass sich die Gerüchte um seine ungewisse Zukunft nicht so einfach abblocken lassen. Zu schlecht sind derzeit seine sportlichen Argumente, auch wenn er im Freitagstraining in Frankreich als Zweiter nur acht Tausendstelsekunden hinter WM-Spitzenreiter Max Verstappen lag. Mit 47 Zählern ist Bottas in der Gesamtwertung abgeschlagen Sechster, zuletzt in Baku verpasste er als Zwölfter die Punkteränge.
Die Rolle als Helfer für Hamilton und strategische Option im Team-Duell mit Red Bull konnte der 31-Jährige in diesem Jahr bisher kaum erfüllen. Sein Leistungseinbruch gefährdet auch die Titelverteidigung in der Konstrukteurswertung, die über die Verteilung der Preisgelder entscheidet.
«Es ist nie ein gutes Gefühl, wenn man schlecht in eine Saison startet. Aber alles im Leben ist ein Auf und Ab, gute Zeiten kommen wieder», spricht sich Bottas Mut zu. Die ruhige Art, die äußerliche Gelassenheit kann eine Stärke sein im so hektischen Fahrbetrieb, der jetzt gleich drei Rennen in drei Wochen presst. Doch bei Bottas fragen sich Beobachter bisweilen, ob hinter der stoischen Fassade wirklich noch ausreichend Feuer brennt.
Bei Mercedes noch alles offen
Noch sei keine Entscheidung über die Fahrerpaarung der neuen Saison getroffen, sagte Teamchef Toto Wolff vor ein paar Tagen. Der TV-Sender RTL will erfahren haben, dass der Österreicher in Frankreich erste Gespräche mit Bottas führen will. Verkündet Wolff etwa schon die Trennung? Was sagt das Bauchgefühl des Finnen? «Ich habe mir nicht erlaubt, darüber zu sehr nachzudenken, das lenkt einen nur ab.»
Vielleicht hilft es, dass Bottas auf dem Circuit Paul Ricard mit einem frischen Chassis auf einen Neustart und ein besseres Gefühl im zuletzt schwer fahrbaren Mercedes hoffen kann. Seinen bisher letzten Auftritt auf dem Kurs nahe der Mittelmeerküste hat Bottas in bester Erinnerung. Damals im Dezember 2019 gewann er das Rennen. Allerdings handelte es sich um eine Rallye, er saß in einem Citroën.