Schweres letztes Mercedes-Jahr: Wird Hamilton benachteiligt?
Hat seit zweieinhalb Jahren kein Formel-1-Rennen mehr gewonnen: Lewis Hamilton. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christinne Muschi/The Canadian Press/AP/dpa)

Fast nur die Erinnerung an bessere Zeiten kann die Laune von Lewis Hamilton derzeit wirklich aufhellen. «Es war ein echter Traum, der wahr wird», schrieb der Formel-1-Rekordweltmeister bei Instagram in dieser Woche zu drei Fotos aus dem Jahr 2007. Diese zeigen ihn jubelnd nach seinem ersten Rennsieg in Montreal.

Erst 22 Jahre alt war der Brite da, landete im McLaren schon im sechsten Grand Prix ganz vorn. Nun geht es zurück nach Kanada, an einen für Hamilton besonderen Ort. Doch in seiner letzten Saison für Mercedes könnten die Vorzeichen für den einstigen Dominator kaum schlechter sein.

«Ich gehe davon aus, dass ich auch den Rest des Jahres hinter George Russell liegen werde», sagte der 39-jährige Brite zuletzt nach der Qualifikation in Monaco. Es sind Worte, in denen Frust steckt – und die großes Zoff-Potenzial haben. Der Altmeister fühlt sich bei den Silberpfeilen offenbar benachteiligt. Nach zwölf Jahren wechselt er 2025 zu Rivale Ferrari. Ob Mercedes seinem Superstar deswegen schon jetzt das bestmögliche Auto verwehrt und stattdessen Teamkollege Russell bevorzugt? Teamchef Toto Wolff bestreitet das natürlich vehement, doch die Situation beim einstigen Dauerweltmeister ist explosiv.

Hamilton mit riesigem Rückstand auf die Spitze

«Als Team verfolgen wir ausschließlich das Ziel, unseren beiden Fahrern zwei großartige Autos zur Verfügung zu stellen, die bestmöglichen Fahrzeuge, die beste Strategie und die beste Unterstützung zu geben», sagte Wolff. Der 52-jährige Österreicher zeigte aber Verständnis für Hamiltons Aussagen. Die Fahrer seien manchmal etwas skeptisch, «aber ich glaube, als Team haben wir bewiesen, dass wir selbst beim härtesten Duell unserer Fahrer alles daran setzen, dass alles ausgeglichen, transparent und fair abläuft».

Hamilton liegt nicht nur hinter Landsmann Russell, sondern ist weit von der Spitze entfernt. Schon wieder funktioniert sein Dienstwagen nicht gut genug, um mit Max Verstappen mitzuhalten. Dreimal wurde der Niederländer im Red Bull nacheinander Weltmeister und ist auch nach acht von 24 WM-Läufen wieder weit enteilt. Vor dem Grand Prix in Kanada am Sonntag (20.00 Uhr/Sky) ist Hamilton nur Achter, liegt schon 127 Punkte hinter Verstappen.

«Ein Podium ist nicht weit weg», sagte Hamilton trotzdem bei einer Pressekonferenz in Montreal und hofft auf einen Aufschwung: «Das Auto wird besser und wir wollen einen Schritt nach vorn machen. Ich bin sehr stolz, wie hart alle im Team arbeiten.»

Ob es in Kanada wirklich zu einer Wende kommt? Die Strecke auf der Île Notre-Dame im Sankt-Lorenz-Strom liegt Hamilton. Schon sieben Mal konnte er auf dem Kurs gewinnen, so oft wie sonst nur Michael Schumacher. «Wir müssen weiterhin hart und fleißig arbeiten, um uns in die Spitzengruppe zu kämpfen», sagte Wolff. Seine Piloten werden ein verbessertes Auto bekommen, unter anderem mit einem neuen Frontflügel. Ob das reicht, um zu Red Bull, Ferrari und McLaren aufzuschließen? «Das Feld ist näher zusammengerückt, und wir machen uns keine Illusionen darüber, dass andere sich weiter verbessern werden», sagte Wolff.

Der Boss der Silberpfeile ist gerade in vielen Bereichen gefordert. Denn zum einen muss er den frustrierten Hamilton bei Laune halten, da dieser mit seiner Erfahrung bei noch 16 ausstehenden Rennen wichtige Impulse geben kann, um den Wagen zu verbessern. Gleichzeitig gilt es aber auch, schon für das kommende Jahr Entwicklungen voranzutreiben. Dabei kann Hamilton kaum eine tragende Rolle spielen, da er dann für die Konkurrenz fährt.

Wer fährt ab 2025 im Mercedes?

Und außerdem muss noch das frei werdende Cockpit besetzt werden. Nur zu gerne würde der deutsche Autobauer Verstappen verpflichten. Da dieser noch bis Ende 2028 vertraglich an Red Bull gebunden ist, scheint das trotz anhaltender Spekulationen um eine mögliche Ausstiegsklausel unrealistisch. Verstappen will im besten Auto sitzen – und das kann Mercedes aktuell nicht anbieten. Favorit auf den Sitz neben Russell soll das italienische Supertalent Andrea Kimi Antonelli sein. Der 17-Jährige fährt noch in der Nachwuchsserie Formel 2.

Hamilton will unterdessen im Ferrari auf die Jagd nach WM-Titel Nummer acht gehen. Auch wenn er im Januar 40 Jahre alt wird, ist der Ehrgeiz ungebrochen, als erster Fahrer diese Marke zu erreichen und Schumacher (sieben Titel) zu übertrumpfen. Den letzten seiner 103 Siege holte Hamilton aber bereits Ende 2021 in Saudi-Arabien, danach musste er Verstappen wegen seines schwächelnden Wagens die Spitze überlassen.

Das ändert aber nichts daran, dass er bis heute das Gesicht der Formel 1 geblieben ist. Hamilton ist der globale Superstar der wichtigsten Rennserie der Welt. Als Kämpfer gegen Rassismus und für Gleichberechtigung sowie Verfechter einer veganen Lebensweise tritt er auch für wichtige Themen neben der Rennstrecke ein. Doch seine sportlichen Ziele bleiben unverändert. «Ich will immer gewinnen», sagt Hamilton immer wieder.

Von Thomas Wolfer, dpa