Ayrton Senna hat es schon getan, Michael Schumacher auch. Und die Worte von Max Verstappens Vater Jos lassen erahnen, was beim Finale furioso eines von Beginn an knallhart und kompromisslos geführten WM-Duells an diesem Sonntag passieren könnte.
«Er wird alles versuchen, um den Sieg zu holen, das ist sicher», kündigte der ehemalige Formel-1-Pilot an: «Es wird aufregend.» Wohl wahr. «Das wird ein absoluter Wahnsinns-Kampf, der eventuell auch relativ schnell vorbei sein kann», befürchtet allerdings Ex-Pilot Timo Glock. Es wäre dann nicht das erste Titelduell, das mit einem Crash der Toppiloten endet. Wie etwa bei Senna gegen Alain Prost oder Schumacher gegen Damon Hill.
Max Verstappen, 24 Jahre alt, bereits im siebten Jahr in der Formel 1, noch immer ohne Titel, auch keine der Nachwuchsserien entschied der Niederländer für sich. Sein Gegner ist Lewis Hamilton, 36 Jahre alt, siebenmaliger Weltmeister, 103-maliger Grand-Prix-Gewinner, 103-maliger Polesetter.
Punktgleich ins Finale
Sonntag, 17.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MEZ/Sky) auf dem Yas Marina Circuit, ist es soweit. Dann klappen die beiden die Visiere wieder runter. Mit jeweils 369,5 Punkten werden sie in den Großen Preis von Abu Dhabi starten. Scheiden beide aus, ist Verstappen der neue Champion.
Das spricht für Max Verstappen: So komisch es zunächst klingen mag, von seiner Fahrweise her, hat er praktisch nichts zu verlieren. Er attackiert, fährt aggressiv. Bleibt er am (Regel-)Limit, hat er nichts zu befürchten. Überreizt er, beschert Verstappen womöglich allen einen langen Abend mit einer Entscheidung am Grünen Tisch. Verstappen hat mehr Siege in dieser Saison geschafft (9) als Hamilton (8). Das allein spricht für sich. Rein sportlich und fahrerisch ist Verstappen für Hamilton ein Gegner auf Augenhöhe. Einer, der dem Briten alles abverlangt.
Vom Teenager und Rowdy zum WM-Anwärter
Verstappen kam als Teenager in die Formel 1, schon damals mangelte es dem Niederländer nicht an Entschlossenheit und Selbstvertrauen. Verstappen wurde aber auch oft Opfer seines ungezügelten Temperaments in Kombination mit seinem Ehrgeiz. Ein Rowdy auf dem Asphalt. Und auch daneben: Noch 2018 in Brasilien rastete Verstappen aus, nachdem ihn Esteban Ocon um den Sieg durch einen Unfall gebracht hatte. Er wütete und schubste den Franzosen. Die Strafe: Verstappen musste Sozialstunden ableisten. Er ist allerdings auch gereift. Fahrerisch, menschlich, nur manchmal dringt es einfach noch durch. Wenn er sich im Griff hat, kann es klappen. Wie man in Abu Dhabi siegt, weiß er auch: Er gewann vor einem Jahr dort.
Red Bull feierte schon einmal einen Weltmeister in Abu Dhabi
Das Prädikat jüngster Weltmeister wird Verstappen Sebastian Vettel nicht mehr nehmen können. Der mittlerweile 34 Jahre alte Deutsche triumphierte 2010 auf dem Yas Marina Circuit, als er Fernando Alonso damals im Ferrari und seinen Teamkollegen Mark Webber in einem atemraubenden Finale schlug. Vettel holte den ersten Titel für Red Bull. Verstappen kann und will nun derjenige sein, der nach dem Vettel’schen Viererpack für das Team des österreichischen Milliardärs Dietrich Mateschitz die Fahrertrophäe holt.
Ein Team mit führungspersoneller Konstanz: Christian Horner ist seit dem Einstieg zur Saison 2005 der Boss, Helmut Marko als Motorsportchef auch für die Abteilung Verbalattacke und Unruhestifterei zuständig. Das diesjährige Auto mit einem noch mal verbesserten Honda-Motor ist titelreif. Das Team auch und mit allen Wassern gewaschen.
Das spricht für Lewis Hamilton: Er ist der Titelroutinier. Er ist der Superstar. Seit seinem Wechsel als Nachfolger für Michael Schumacher zur Saison 2013 zu Mercedes, hat sich Hamilton gefunden. Jedes Jahr verbessert er sich noch mal. Der Wille, der Ehrgeiz, die Leidenschaft – alles ungebrochen. Die Niederlage im WM-Kampf 2016 gegen seinen damaligen Teamkollegen Nico Rosberg forcierte den Perfektionsprozess des Briten noch einmal.
Es geht um die «sportliche Unsterblichkeit»
Hamilton betont immer wieder. Er hat das, was Verstappen gerade durchmacht, schon so oft erlebt. 2007 in seinem Premierenjahr mit einem schlechten Ende. 2008 mit einem guten Ende und dem ersten WM-Triumph. Seit anderthalb Jahrzehnten fährt Hamilton in der Formel 1. Seine Bilanz verschiebt die Wahrnehmung des bis dahin für möglich gehaltenen. Aus dem einst auch mal liebeskranken Piloten mit großen Leistungsschwankungen wurde zudem ein Wortführer im Kampf um Menschenrechte und gegen Rassismus. Hamilton interpretiert seine Vorbildrolle weit über das Steuern eines weiterhin schwarz lackierten Silberpfeils hinaus.
Das Ungestüme eines Verstappen hat Hamilton längst abgelegt. «Er lässt sich aber immer nochmal so viel Spielraum, dass er weiß, dass er der Situation noch ausweichen kann», befand Glock in seiner Kolumne für den Sender Sky. Hamilton bleibt cool im Cockpit. In einem Rennen, wie das bevorstehende, ein großer Pluspunkt. Hamilton kann zudem auf Knopfdruck liefern. Das Team hat er zusammen mit Toto Wolff, dem Mercedes-Motorsportchef zu dem gemacht, was es jetzt ist. Er ist umso motivierter und entschlossener, wenn es nicht so läuft.
Einst auch mal schlecht gelaunt nach Niederlagen, ist Hamilton zum Motivator geworden, der 2014 in Abu Dhabi seinen ersten Titel für Mercedes perfekt gemacht hatte, zwei Jahre später dort aber miterleben musste, wie Rosberg jubeln durfte. Diesmal kann ihm sein Teamkollege helfen. Valtteri Bottas kam 2017 für den zurückgetretenen Rosberg, er wird zum letzten Mal am Steuer des Formel-1-Mercedes sitzen. Und kann zum wichtigen WM-Faktor werden, wenn er Verstappen auf Distanz zu Hamilton hält.