In der Formel-1-Show sind Toto Wolff und Christian Horner längst Hauptdarsteller.
Für die Hollywood-Unterhaltung auf dem Asphalt sorgen zwar im WM-Zweikampf ihre Piloten Lewis Hamilton und Max Verstappen. Doch jenseits der Bordsteine liefern die beiden Teamchefs auch selbst Schlagzeilen. Der Entertainment-Motor Formel 1 läuft hochtourig, schließlich wird das Innenleben vom Streamingdienst Netflix auch mit einer eigenen Dokureihe ausgeleuchtet.
«Die Leute haben ein Mikrofon vor sich oder eine Kamera auf sich gerichtet und fangen an, sich wie kleine Schauspieler zu verhalten, wie in Hollywood», sagte Wolff der «Daily Mail» im Interview vor dem Grand Prix von Mexiko an diesem Wochenende. «Das ist gut für den Sport und gut für Netflix, denn sie wollen die Menschen porträtieren, nicht nur die Stoppuhr.»
Duell zwischen Mercedes und Red Bull
Jede Show, jede Soap, ist nur so gut wie ihre Darsteller. Der eine, Wolff, ist Teamchef von Branchenprimus Mercedes, Boss des WM-Zweiten Hamilton, dekoriert mit jeweils sieben Konstrukteurs- und Fahrer-Titeln nacheinander. Kein anderer Teamchef in der Historie der Motorsport-Königsklasse kann so eine Serie vorweisen.
Der andere, Horner, ist Teamchef von Herausforderer Red Bull, Boss von WM-Spitzenreiter Verstappen, in der Ära mit Sebastian Vettel von 2010 bis 2013 dekoriert mit jeweils vier Konstrukteurs- und Fahrer-Titeln nacheinander. So erfolgreich Wolff und Horner sind, so innig verbunden sind sie einander in ihren Ressentiments.
«Ich glaube, wir respektieren uns, aber ich glaube auch, wir arbeiten auf sehr unterschiedliche Weise», meinte Horner, der mit Verstappen die Dauerdominanz der Silberpfeile in dieser Saison endlich brechen will. «Ich will unbedingt an vorderster Front stehen. Ich sitze an der Boxenmauer mit den Strategen und den Ingenieuren, Toto sitzt in der Garage neben dem Pressemann. Es sind unterschiedliche Funktionen, unterschiedliche Rollen, unterschiedliche Sichtweisen.»
Horner leitete seine Aussagen elegant ein, nur um dann zu sticheln. Was der Mann des ehemaligen Spice Girls Geri Halliwell eigentlich sagen wollte: Ich lege meinen Fokus auf Auto und Taktik, der andere auf PR und Image. «Ich habe das Gefühl, dass er einer der Protagonisten in einer Pantomime ist, Teil der Formel-1-Besetzung», meinte Wolff, «für mich als Teilhaber, als Teambesitzer, ist es großartig, dass er diese Art von Geschichten schreibt.»
Zwischen dem Briten Horner (47) und dem Österreicher Wolff (49) hatte es in dieser Saison schon richtig gekracht. Im Designstreit um die Legalität von Flügeln hatte Horner, dem in Sachen Streitkultur noch Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko zur Seite steht, Anfang Juni in Baku seinen Rivalen angeherrscht, lieber «den Mund zu halten».
Geschäft zwischen «Racing und Seifenoper»
Wolff, dem an seiner Seite der 2019 verstorbene langjährige Teamaufsichtsrat Niki Lauda fehlt, ätzte: «Christian ist ein ziemlicher Schwätzer, der gerne vor der Kamera steht.» Wolff meinte später, er hätte gar nicht darauf eingehen sollen. «Er war unhöflich und ich habe darauf reagiert, aber das ist mir letztlich egal und ich achte nicht darauf», äußerte der Mercedes-Teamchef.
Wolff findet, dass die Formel 1 wieder den Zeiten des langjährigen Chefvermarkters Bernie Ecclestone ähnelt. «In vielerlei Hinsicht kehren wir zu unseren Wurzeln zurück, denn was Bernie Ecclestone seinerzeit geschaffen hat, waren Racing und Seifenoper. Und wenn es nicht genug Racing gab, machte er Seifenoper», bemerkte Wolff.
All die Sticheleien, all der Zoff – so wie Fahrer versuchen, sich aus dem Gleichgewicht zu bringen und zu Fehlern zu verleiten, probiert das auch das Führungspersonal der Rennställe. Vor allem wenn es um die WM geht. «Es ist das erste Mal, dass Mercedes und Toto in einer Situation sind, in der sie echt herausgefordert werden», sagte Horner vor Kurzem Channel 4 über den erwarteten Titelkampf bis zum Saisonfinale. «Wir lieben den Wettbewerb, und je mehr sich Toto aufregt, desto mehr Spaß macht es.»