Sportler in aller Welt trauern um Dietrich Mateschitz, Österreichs höchste Politiker verneigen sich vor dem Red-Bull-Gründer. Er habe geschafft, «wovon andere nicht gedacht hätten, dass es möglich ist – egal in welcher Hinsicht», sagte Formel-1-Pilot Sebastian Vettel im texanischen Austin in den USA.
Am Samstag starb Mateschitz. Der Gründer von Red Bull, der Marke, die mit einer Dose Weltruhm erlangte und den Sport mitgestaltete, wurde 78 Jahre alt.
«Jetzt ist es ein großer Schock für alle, die ihn auf diesem Weg begleitet haben», sagte Vettel, der einst als Fahrer von Red Bull vier Weltmeistertitel (2010, 2011, 2012 und 2013) auch mit Mateschitz gefeiert hatte. Unvergessen, wie nach dem ersten Triumph die Straße des 17. Juni in Berlin zur PS-Paradestraße für Vettel und Red Bull wurde.
Mateschitz definierte Sportsponsoring neu
Sport und Marketing, Hochleistung und Show – für manche auch über den Grenzen des Machbaren. Schwere Unfälle in Extemsportarten trübten das Bild der gern makellosen Red-Bull-Überflieger-Welt immer wieder.
Mateschitz hat mit seinem Imperium aber die Dimensionen im Sportsponsoring und Marketing neu und anders definiert. Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali pries ihn als «unglaublich visionären Unternehmer». Er hat Talente gefördert und Karrieren geebnet. «Ohne ihn würde ich jetzt hier nicht sitzen», sagte der alte und neue Formel-1-Weltmeister Max Verstappen vor dem Großen Preis der USA über Mateschitz.
Während viele der fast unzähligen Red-Bull-Sportler kurz vor Mitternacht MESZ durch eine Mail des Unternehmens über den Tod des Gründers informiert wurden, erfuhren die beiden Formel-1-Rennställe Red Bull und Alpha Tauri unmittelbar vor der Qualifikation am Samstag davon. «Wir wussten, dass er in einem sehr schweren gesundheitlichen Zustand war, aber trotzdem, nachdem es nun eingetreten ist, ist es für uns alle unfassbar», sagte Helmut Marko, ein Jahr älter als Mateschitz und ein enger Freund, sichtlich gezeichnet beim Sender Sky. Später sprachen er und Vettel zwischen den Stellwänden im Fahrerlager.
Dort, wo Stunden zuvor der Zoff um die Ausgabenüberschreitung von Red Bull noch eskaliert war, als Teamchef Christian Horner mit einer Abrechnung der Konkurrenz nachlegte und Mercedes-Teamchef Toto Wolff darauf auch noch mit Spott und Hohn reagierte. «Und dann so eine Nachricht», sagte Wolff später und bezeichnete seinen Landsmann Mateschitz als den beeindruckendsten Unternehmer, «den wir in Österreich je hatten, wenn nicht weltweit. Er hat eine Marke kreiert und einen Bereich, den es vorher nicht gab. Was er für den Sport gemacht hat und wieviel er dem Sport gegeben hat, hat es davor nicht gegeben».
Die vielen Schlagzeilen in jüngster Zeit neben der sportlichen Rückkehr auf den WM-Thron durch Verstappens Titel 2021 und in diesem Jahr dürften Mateschitz aber gar nicht gefallen haben. Da gab es den auf einmal geplatzten Deal mit Porsche. Dann die Saga um höhere Ausgaben als erlaubt.
Mateschitz machte sich in der Öffentlichkeit rar
Mateschitz, dessen öffentliche Statements und Auftritte schon immer rar waren, schaltete sich aber nicht mehr ein. Dass er beim Pokalsieg von RB Leipzig, dem deutschen Fußball-Ableger in der Red-Bull-Welt, im vergangenen Mai nicht vor Ort war, überraschte schon. Dass er beim Heimrennen der Formel 1 auf dem Red-Bull-Ring, der dank Mateschitz zu einer hochmodernen Vorzeige-Strecke umgebaut worden war, fehlte, verwunderte. In der Steiermark hielten sich alle mit Spekulationen zurück, wer mit den Menschen dort sprach, spürte vor allem Dankbarkeit für das, was er für die Region geleistet hat.
«Dietrich Mateschitz baute über die Jahre ein Sport-, Medien-, Immobilien- und Gastronomie-Imperium auf – und verhalf in der Obersteiermark einem ganzen Tal zu neuen Impulsen», schrieb die «Kleine Zeitung» aus Österreich: «Sein unternehmerischer Fußabdruck wird bleiben. Auch, weil der Weg des Unternehmens Red Bull noch lange nicht zu Ende scheint.»
Berichten zufolge soll Sohn Mark die Geschicke nun führen aus der Zentrale, malerisch gelegen in Fuschl am See. Mehrheitseigner ist allerdings die thailändische Unternehmerfamilie Yoovidhya. Mateschitz, einst Zahnpasta-Manager hatte auf einer Reise in Thailand ein Getränk entdeckt und 1984 Red Bull gegründet. Ende vergangenen Jahres beschäftigte das Unternehmen nach eigenen Angaben in 172 Ländern 13.610 Mitarbeiter. Weltweit wurden fast 10 Milliarden Dosen verkauft.
Mit dem Tod von Mateschitz verliere Österreich nicht nur einen der erfolgreichsten Unternehmer und einen großen Innovatoren, «sondern auch einen Menschen, der sich Zeit seines Lebens in höchstem Maße für soziale und gesellschaftliche Zwecke engagiert hat», würdigte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer den reichsten Bürger seines Landes. Das US-Magazin «Forbes» listete Mateschitz in diesem Jahr mit einem Vermögen von 27,4 Milliarden Dollar auf Platz 51 im weltweiten Milliardärs-Ranking.
Mateschitz baute Imperium auf
Längst ist die Liste an Einzelsportlerinnen und -sportlern riesig lang, gern auch aus eher unkonventionellen Disziplinen. Dazu Fußball-Clubs wie RB Leipzig, der in einer Trauerbekundung versprach, Mateschitz‘ Vision für den Verein in dessen Sinne weiterzuführen, oder Eishockey-Teams wie der EHC Red Bull München.
Nebenbei baute er ein Medienimperium auf. Der hauseigene Sender ServusTV stand allerdings auch schon in der Kritik, Verschwörungstheoretikern und Querdenkern eine Plattform zu bieten. Mit einem Interview der «Kleinen Zeitung» 2017 hatte Mateschitz für Aufsehen gesorgt: «Ich bin kein Wutbürger. Ich nenne die Dinge beim Namen.»
Und auch das gehört zum Reich des sozial sehr engagierten Mateschitz. Als ein Betriebsrat bei ServusTV installiert werden sollte, hieß es kurzzeitig, der Sender würde geschlossen. Als die Betriebsratspläne von den Angestellten aufgeben worden waren, ging es weiter. Oder wie die «Kronen-Zeitung» nun in einem Nachruf schilderte: «Seine Härte scheint oft gnadenlos: Als er von der Gründung eines Betriebsrates bei seinem ServusTV hört, lässt er den Sender umgehend einstellen. Der Salzburger Arbeiterkammer-Chef kommt in den Hangar 7, exerziert den Kniefall, und Hunderte Jobs sind gerettet.»
Loyalität zeichnete Mateschitz vor allem gegenüber seinen engsten Weggefährten aus. So wie Red Bulls Formel-1-Teamchef Christian Horner, der das Team seit dem Einstieg 2005 führt. «So viele Leute schulden dir so viel, keiner mehr als ich», schrieb der 48-Jährige zum Tod von Dietrich Mateschitz bei Instagram.