Für die Hymnen zu Ehren des triumphalen Siegers beim mitreißenden Auftaktrennen hatten Mick Schumacher und Sebastian Vettel in der Wüste von Sakhir so gar kein Ohr.
Der eine freute sich unter den geschmückten und erleuchteten Palmen im Fahrerlager des Bahrain International Circuits mit strahlenden Augen trotz Lahm-Auto einfach nur, endlich dabei zu sein. Der andere musste wieder und wieder erklären, warum es auch nach sechs Frustjahren bei Ferrari so losging, wie es bei den Roten in Dauerschleife lief – halt nur in grün.
«Ich fühle mich im Auto noch nicht zuhause. Viele Dinge arbeiten gegen mich und ich kann mich nicht wirklich auf das Fahren konzentrieren», sagte Vettel – ein Fall für Q? Vettels Karriere-Neustart im Wagen mit dem Spitznamen des legendären Bond-Girls Honey Ryder wurde zu dem, was es nicht sein sollte und durfte: Ein Reinfall. Strafen, ein Auffahrunfall, Risiko-Taktik ohne Erfolg.
Ob ein Tüftler wie aus den James-Bond-Filmen helfen kann – fraglich. Vettel selbst muss vor allem raus aus dem Fehler-Kreislauf. «Es ist meine Aufgabe, das Auto zu fahren und gut Rennen zu fahren, was ich heute nicht getan habe», sagte Vettel am Sonntagabend. Die Schuld am Auffahrunfall mit Esteban Ocon, für den er eine Zehn-Sekunden-Strafe aufgebrummt bekommen hatte, wollte er auch nur bedingt auf sich nehmen. «Es war nicht das Wochenende, das wir haben wollten,» räumte Vettel aber ein. Oder wie «La Gazzetta dello Sport» aus Vettels ehemaliger fahrerischer Heimat sichelte: «Vettel – ein Alptraumbeginn.»
Dass im kompletten April trotz Rekordkalenders mit 23 Rennen nur der Große Preis der Emilia Romagna in Imola ansteht, gibt Vettel und Aston Martin Zeit, das Auto zu verbessern. Nur ein Versuch in vier Wochen, sich aus dem Start-Tief zu katapultieren, ist aber auch wenig, denn eines zeigte das Bahrain-Rennen auch: Die Konkurrenz ist richtig stark. Hinter Mercedes mit Superstar und Sakhir-Sieger Lewis Hamilton und Red Bull mit dem nur knapp geschlagenen Top-Herausforderer Max Verstappen kämpfen McLaren, aber auch Vettels Ex-Team Ferrari und Alpha Tauri um die Top-Ten-Plätze.
Dass diese Regionen für ihn in seinem Lehrjahr in weiter Ferne liegen würden, war und ist Mick Schumacher bewusst. Sein erstes Rennen in der Motorsport-Königsklasse lieferte auch den Beweis, dass sein Dienstauto eigentlich nicht konkurrenzfähig ist. «Der Sohn des siebenfachen Weltmeisters Michael Schumacher konnte es nicht leichthaben auf dem eher schwachen Haas», urteilte das britische Boulevardblatt «The Sun».
«Er hat viel gelernt», sagte Haas-Teamchef Günther Steiner und war voll des Lobes für den 22-Jährigen, der im Interview-Garten des Fahrerlagers zu den gefragtesten Akteuren gehörte. Der Dreher nach der Safety-Car-Phase wurmte Mick Schumacher, ansonsten herrschte erstmal Erleichterung, das Renndebüt erfolgreich ins Ziel gebracht zu haben, nachdem Vater Michael vor 30 Jahren bei seinem Einstandsrennen wegen eines Kupplungsdefekts nur ein paar hundert Meter weit gekommen war.
Es wurde aber auch deutlich, dass Mick Schumacher ein einsames Jahr auf den Strecken in der ganzen Welt vor sich hat: Zu den Rivalen vor ihm ist es mit dem Haas zu weit, hinter Haas kommt nichts mehr, und Teamkollege Nikita Masepin erwies sich bei dessen Debüt nicht als Rivale auf Augenhöhe. Es fehlt ein Maßstab.
Dass er sich Rennen für Rennen darauf einstellen und damit abfinden muss, überrundet zu werden, ist dem Formel-2-Champion von 2020 auch klar: «Wir wussten von vornherein, dass das der Fall sein wird und ich damit klar kommen und lernen muss. Ich kann nicht direkt in die Top Fünf fahren, auch wenn ich das gern würde.»
Dort aber herrschen andere: Hamilton und Verstappen vorneweg. Ihr Duell in der windigen Wüste bot PS-Unterhaltung der Extraklasse. «Ein epischer Auftakt», titelte die Rennserie selbst. «Der größte Gewinner sind die Fans», betonte Red-Bull-Teamchef Christian Horner.
Das Team, mit dem Vettel von 2010 bis 2013 die Titel abräumte, scheint in diesem Jahr soweit zu sein, die Ära der erneut schwarz lackierten Silberpfeile mit dem siebenmaligen Weltmeister Hamilton beenden zu können.
Und das stichelte den 36 Jahre alten Briten so richtig an. «Wir lieben die Herausforderung, ich liebe diese Herausforderung», sagte der Brite, nachdem er sich den Rekord bei den Führungsrunden von Michael Schumacher geschnappt hatte (5126 zu 5111). Und Mercedes-Teamchef Toto Wolff betonte: «Es gibt keinen besseren Sieg als einen, der hart erkämpft ist und keine bessere Meisterschaft als die, die bis ans Ende geht und es einen echten Schlagabtausch gibt, bei dem man einstecken muss und austeilen kann.»