Sebastian Vettel wird als Aufbauhelfer und hoch dekorierter Erfolgsbeschleuniger auch Geduld brauchen.
«Man muss dem Ganzen ein bisschen Zeit geben», betonte der viermalige Formel-1-Weltmeister bereits. An diesem Sonntag startet er in eine neue Mission: Grün wie die Hoffnung ist der neue Aston Martin und nicht mehr Rot wie Alarm während seiner sechs Frustjahre bei Ferrari.
«Es geht jetzt erstmal darum, regelmäßig aufs Podium zu kommen», sagte Gerhard Berger der Deutschen Presse-Agentur in einem Gespräch über Vettel. Der 61 Jahre alte Österreicher kennt Vettel bestens. Die Podiumsplätze sollte er sich in den ersten zwei Jahren als Ziel setzen, meinte Berger. Auf WM-Kurs sieht Berger den mittlerweile auch schon 33 Jahre alten gebürtigen Heppenheimer noch nicht mit Aston Martin. Das wäre unfair, meinte Berger, betonte aber auch: «Sebastian hat noch drei, vier gute Jahre vor sich, sofern er das will.»
Formel-1-Debüt 2007 bei BMW-Sauber mitten in der Saison, Wechsel zu Toro Rosso noch im selben Jahr, 2009 der Aufstieg zu Red Bull, Weltmeister 2010, 2011, 2012 und 2013, ab 2015 bei Ferrari. 53 Rennsiege schaffte Vettel. Er liegt damit in der Bestenliste der Grand-Prix-Gewinner auf Rang drei hinter Lewis Hamilton (95) und Michael Schumacher (91). Genauso viele oder mehr WM-Titel als Vettel holten nur Alain Prost (Frankreich/4), Juan-Manuel Fangio (Argentinien/5) sowie die beiden Rekordchampions Hamilton (7) und Schumacher (7).
«Er hat schon bewiesen, dass er zu den besten Rennfahrern in der Szene gehört, die es jemals gegeben hat», sagte Berger mit Blick auf Vettel, der in den vergangenen Jahren aber mehr Rückschläge hinnehmen musste als er Erfolge feiern durfte. «Sein Ausgleich ist, dass er viermaliger Weltmeister ist. Das kann ihm niemand mehr wegnehmen», betonte Berger.
Vettel will aber nach vorn, nach ganz vorn. Genau wie Rennstallbesitzer und Milliardär Lawrence Stroll den Nachfolger-Rennstall von Racing Point zum Weltmeister-Team machen will. Der spürbaren Euphorie bei der Präsentation des AMR21, bei der auch ein Grußwort von James-Bond-Darsteller Daniel Craig nicht fehlen durfte, folgte aber eine erste kleine Ernüchterung bei den Testfahrten zwei Wochen vor dem Saisonauftakt an diesem Sonntag (17.00 Uhr/Sky) auf dem Bahrain International Circuit.
Defekte, wenige Runden, kaum Eingewöhnungszeit an den neuen Wagen, der in bester Vettel-Tradition auch noch einen Spitznamen bekommen soll. Zusammensitzen mit ein paar Bier sei in Corona-Zeiten aber eher schwierig, erklärte Vettel in Sachen Namensfindung.
Was der dreifache Familienvater aus Hessen auch braucht um seine Bestleistung abrufen zu können, ist ein Team, in dem er sich wohl und wertgeschätzt fühlt. Trotz eigener Liebeserklärungen und Schwärmereien zu Beginn entwickelte sich Ferrari nicht zur großen emotionalen Wellness-Oase für Vettel. Es gipfelte in der Art und Weise der Trennung, die Ferrari noch vor dem verspäteten ersten Rennen der vergangenen Saison bekannt gegeben hatte. Vettel teilte seinerseits vor dem 1000. Rennen der Scuderia in der Formel 1 sein neues Engagement bei Aston Martin mit. Ob Zufall oder Revanche, der Zeitpunkt traf Ferrari.
Um Genugtuung gegenüber dem kriselnden Ex-Team aus Italien geht es Vettel in diesem Jahr und darüber hinaus nicht. «Das Beste, was er machen kann und was jeder machen kann, ist, die Jahre bei Ferrari zu vergessen», riet ihm jüngst der ehemalige Formel-1-Boss Bernie Ecclestone (90). «Ich bin sicher, dass er nun im richtigen Team ist, wo man sich um ihn kümmert. Da hat er die Voraussetzung, den alten Vettel wieder zu zeigen.»